Völkerrechtliche Beziehungen zwischen Äthiopien und Italien im Lichte des Vertrages von Uccialli / Wuchale (1889)

ISBN 978-3-89645-685-4

Völkerrechtliche Beziehungen zwischen Äthiopien und Italien im Lichte des Vertrages von Uccialli / Wuchale (1889)

Author: Hatem Elliesie. Series edited by: Rainer Voigt, Hatem Elliesie.

Series: SHA Studien zum Horn von Afrika Volume 5

2017
22 pp. Roman, 232 pp.
8 maps, numerous facsimile reproductions, index
Text language(s): German
Format: 170 x 240 mm
680 g
Hardcover
€ 69.80

Die vorliegende Arbeit versteht sich in erster Linie als Beitrag in der Schnittmenge zwischen den Disziplinen der Äthiopistik und der Rechtswissenschaft. Im Zentrum der Auseinandersetzung diplomatischer Beziehungen Äthiopiens und Italiens in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts steht der Völkerrechtsvertrag von Wǝcale / Wuchale (ital. Uccialli), auf dessen Bedeutung der Verfasser erstmalig während seines Studiums am Seminar für Semitistik und Arabistik an der Freien Universität Berlin aufmerksam gemacht wurde. 

Das amharische Quellenmaterial und bisher unberücksichtigte, auch anderssprachige Sekundärliteratur konnte der Autor in großen Teilen durch mehrwöchige Recherchen in Äthiopien in den Jahren 2009, 2010, 2011 und 2012, aber auch in Eritrea, dem Sudan und Ägypten ausfindig machen. Die besondere Herausforderung lag dabei insbesondere darin begründet, dass die für die Ausarbeitung einschlägigen Primärquellen, also insbesondere die Verträge und deren Entwürfe, archivalisch nur fragmentarisch systematisch erschlossen sind. Hinzukommt, dass am Horn von Afrika Literatur- und Wissenschaftssprachen vorherrschen, die sprachliche Barrieren in der Erforschung der reichhaltigen historiografischen Materialität für Wissenschaftszirkel generieren, was erklären dürfte, dass weitläufig die italienische Geschichtsschreibung rezipiert wird. 

Sich dieses Desiderates annehmend, leuchtet das vorliegende Werk in der Auseinandersetzung mit außereuropäischem Quellenmaterial vorherrschende italienische Geschichtsnarrative neuartig aus. Die komparativ ausgelegte Abhandlung hat in der vorgelegten Kontextualisierung erstmalig Entwürfe und Endfassungen des zweisprachigen Vertragstextes mit ihren jeweiligen (inter)nationalen Begleitumständen philologisch aufgearbeitet und – gemessen an den objektiven Bedingungen der völkerrechtsgeschichtlichen Dogmatik und völkerrechtlichen Praxis der damaligen Epoche – juristisch analysiert. 


Following the links below you will find the complete text of the review by Harald Sippel:


Accompanying material:

Reviews

Es war der erste Sieg afrikanischer Truppen über eine europäische Nation. Am 1. März 1896 besiegten abessinische Soldaten unter Kaiser (nǝguśä nägäśt) Mǝnilǝk II. die italienischen Interventionstruppen General Baratieris. Die siegreiche ‘Schlacht von Adua’ sicherte –epochemachend – die staatliche Souveränität des äthiopischen Kaiserreichs. Auch der im Mai 1889 g eschlossene – bilaterale und bilinguale – italienisch-abessinische Vertrag von Uccialli/Wǝcale war hinfällig. Mit dem 1896 ratifizierten Friedensvertrag von Addis Abäba fand der italienisch-äthiopische Krieg auch offiziell ein Ende. Die Pläne des italienischen Königreichs, die Territorien Eritrea und Italienisch-Somaliland durch die Einbeziehung Abessiniens zu einem geschlossenen Kolonialreich auszubauen, waren gescheitert.

Elliesie unternimmt [...] den anspruchsvollen Versuch einer vertrags- und kulturbasierten Aufarbeitung abessinisch-italienischer Konflikte und Rechtsbeziehungen. Dabei steht ein kritischer Blick auf überkommene Narrative im Mittelpunkt. Elliesies vorrangiges Anliegen ist es, eine als europazentrisch empfundene Wahrnehmungskultur – und damit einhergehende sprachlich und fremdkulturell geformte Vergangenheitsbilder – anhand außereuropäischer Quellen und Erinnerungsbilder zu untersuchen. Dabei unterstreicht er ‘die verschiedenen Begriffswelten unterschiedlicher Sprachkreise und Rechtsverständnisse’, die mittels einer ‘regionalspezifischen Philologie’ kontextualisiert werden. Das Ergebnis überzeugt. Die fremdkulturellen Bilder europäisch geprägter Geschichtsschreibung werden mit regionalsprachlichen (amharischen und arabischen) Quellen und den ihnen zugrundeliegenden politischen und kulturellen Wahrnehmungen konfrontiert.

Stefan Brüne in Aethiopica, 22/2019, 284-286

Gegenstand der vom Fachbereich Geschichts- und Kulturwissenschaft der Freien Universität Berlin 2016 angenommenen Dissertation ist der bilaterale und bilinguale Vertrag von Wuchale (italienisch Uccialli), ein am 2. Mai 1889 in einer amharischen und einer italienischen Fassung unterzeichnetes Abkommen der „Freundschaft und des Handels“ zwischen Äthiopien (Abessinien) und Italien. Diese Übereinkunft ist aus mehreren Gründen bemerkenswert, weil sie nicht nur eine völkerrechtliche Vereinbarung zwischen einem afrikanischen und einen europäischen Staat zur Zeit des eine Aufteilung Afrikas unter europäischen Kolonialmächten anstrebenden Imperialismus darstellt, sondern völkerrechtlich zugleich als „Geburtsstunde Eritreas“ angesehen wird (S. 2). Allerdings erkannte Italien in Äthiopien keinen gleichrangigen Vertragspartner, sondern benutzte den Vertrag von Uccialli/Wuchale vielmehr dazu, mithilfe der italienischen Fassung des Vertragswerks im Wege der Diplomatie zu versuchen, ein italienisches Protektorat über Abessinien zu errichten. […]

Es ist ein Verdienst des Verfassers, die hierzulande kaum mehr bekannten Vorgänge um die Entstehung des völkerrechtlichen Vertrages von Uccialli/Wuchale von 1889, den damit zusammenhängenden militärischen Konflikt und die politischen Folgen für Äthiopien und Italien in historischer und juristischer Hinsicht wiederentdeckt und aufgearbeitet, vor allem aber unter Berücksichtigung linguistischer und semantischer Aspekte aus äthiopischer Perspektive umfassend eingeordnet und damit der Vergessenheit entrissen zu haben.

Harald Sippel in Recht in Afrika, 22/2019, 246-248

Languages matter – also for historians of international law. It is said that each language opens a window to a different interpretation of the world. As selfexplicatory as this basic hermeneutical insight may sound, as strange is it that a great deal of historical research on international law limits itself to primary and secondary sources in merely one or perhaps two European languages – even when historical developments beyond Europe are analysed.

Hatem Elliesie’s book on the Ethiopian-Italian treaty of Wuchale (1889) (ital.: Ucciali/ amhar.: ውጫሌ [Wǝčale]) embarrasses these works in more than one respect: It is rare to see a book in which on every single page of the main part letters other than the Latin alphabet are printed (namely Amharic, Arabic, Hebrew, or Russian). And it is equally rare to find a book using literature in 9(!) languages (Amharic, Arabic, Russian, Turkish, Italian, Portuguese, French, German, and English). A trained lawyer, semitist, and expert of Islamic law at the Max Planck Institute for Social Anthropology Halle an der Saale, Elliesie makes the challenges and advantages of interdisciplinarity in legal history thus visible and readable. His objective is to lay out the text of the bi-lingual international treaty of Wǝčale and – with reference to the classic study by Sven Rubenson of 19641 – to further ‘deepen’ our historical knowledge about the political and linguistic context of this treaty (xiv) that stood at the center of the conflicting diplomatic relations between Ethiopia and Italy in the last quarter of the nineteenth century.

Jakob Zollmann in International Journal of the History of International Law, 23/2021, 368-375

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