Ordnungsformen der Gewalt

ISBN 978-3-89645-330-3

Ordnungsformen der Gewalt

Reflexionen über die Grenzen von Recht und Staat an einem einsamen Ort in Papua-Neuguinea

Author: Peter Hanser, Trutz von Trotha †. Series edited by: Trutz von Trotha †, Rainer Geißler.

Series: SBS Siegener Beiträge zur Soziologie Volume 3

2002
448 pp.
3 maps, 17 b/w photos, 1 graph, 4 tables, author and subject index
Text language(s): German
Format: 160 x 240 mm
930 g
Hardcover
€ 69.80

Whereas nowadays the police, public prosecution and public court system are common to almost every legal system world wide, the workings of lower legal institutions and the dispension of law in villages and small provincial towns is scarcely known. To remedy the situation, Trutz von Trotha and Peter Hanser have studied the conditions, workings and effects of the legal system of Papua New Guinea.

The authors were interested in the interaction between the formal institutions of the national legal system and the conditions in the localities, especially the flexibility of legal order in the hands of the local representatives of the legal institutions at the periphery. The focus is on the experiences and points of view of simple village police members, itinerant prosecutors and judges, who sweat in musty bureaus to prepare for sessions dealing, e.g., with the issue of a bride price which was never paid and where it is clear that the promised bride price could never have been paid.

In Ihu, the field study area of the present study, conflict and competition determine the relationships between public administration, traditional and neo-traditional institutions of mediation, and among the neo-traditional institutions themselves. At the time of the field study the conflicts between administration, village judges and village councils were exemplary. The strength and intensity of these conflicts are the result of the dynamics of a big men order. The differential structure of these conflicts points at a continuing heterogeneous order of relationship between politics and law. It corresponds to the local structures and processes about power, status and influence, where the big men are the dominant actors.

Review in “Portal für Politikwissenschaft”

Reviews

Wer über die Problematik von Staatsbildung in Regionen der Dritten Welt informiert werden und den Zusammenhang von Rechtsentwicklung und Staatlichkeit bildhaft begreifen will, der wird kaum an diesem Buch vorbeigehen können [...] Hanser und von Trotha jedenfalls haben mit ihrem Buch wesentliche Anstöße gegeben, um die Debatte zum Zusammenhang von Staatszerfall und kriegerischer Gewalt weiterzutreiben.

Wolfgang Knöbl in Soziologische Revue, 27/2004, 193-195

Das Buch stellt eine sehr anregende Verbindung zwischen Ethnologie und Rechtssoziologie her. Es basiert auf umfangreichen Feldforschungen über Mechanismen der Konfliktaustragung in einer Region Papua-Neuguineas, die sich – fern der formalisierten Prozeduren von Rechtsstaatlichkeit – an den „Grenzen des Staates” befindet (19). Das postkoloniale Papua-Neuguinea ist für die Frage nach der Entstehung von Recht ein lehrreicher Fall, weil hier eine ausgeprägte Kultur gewaltsamer Selbsthilfe und neotraditionaler Streitregelungspraktiken von rechtsstaatlichen und parlamentarischen Institutionen eingerahmt werden. Der eigentlichen Feldstudie (Teil II) ist eine kritische Diskussion rechtsethnologischer Positionen vorangestellt, namentlich jener Auffassungen („negativer Evolutionismus”), die die universelle Durchsetzung staatlicher Rechtsordnungen als Verallgemeinerung administrativer Repression interpretieren. Für Politikwissenschaftler dürfte indes der dritte Teil, der sich mit der Zukunft des staatlichen Gewaltmonopols befasst, noch interessanter sein. Ausgehend von vier Ordnungsformen der Gewalt, entwirft von Trotha, der diesen Abschnitt weitgehend verfasst hat, das skeptische Szenario eines „undramatischen” Zerfalls moderner Staatlichkeit. Im Zuge einer um sich greifenden Privatisierung werde in den liberalen westlichen Demokratien das wohlfahrtsstaatlich abgesicherte Gewaltmonopol von einer präventiven Sicherheitsordnung abgelöst, einem „Gefüge von zunehmend eigenständigen und unabhängigen Regierungen jenseits des Zentrums und außerhalb des öffentlichen Bereichs” (352).

Thomas Mirbach in Zeitschrift für Politikwissenschaft, 1/2004, 270-271

Ein schönes Buch und ein vielversprechendes Buch. Man nehme sich Zeit, suche sich einen bequemen Stuhl und schon die Lektüre des ersten Kapitels („Statt einer Einleitung“) zieht einen mitten in das Geschehen, an „ein[en] einsame[n] Ort im Wilden Westen von Papua-Neuguinea“ hinein. [...] Zu den stärksten Lektüreeindrücken des Buches gehören die Briefe, die der Ethnologe an den Soziologen schickte, bevor dieser seinerseits diesem nachreiste. [...] Die Briefe vermitteln nicht nur das Dilemma, in dem sich der der Neutralität verpflichtete Feldforscher unversehens sieht und das er offenbar einfühlsam zu meistern und zu reflektieren versteht, sie vermitteln der Leserin auch einen ersten plastischen Eindruck von der Beziehungs- und Konfliktstruktur der Region.

Susanne Krasmann in Krim. Journal, 36/1, 2004, 73-75

Was bleibt? Eine auch sprachlich schöne und gelungene Vermittlung vom lokalen Zusammenhang zwischen äußerer Gerichtseinrichtung und dem tatsächlichen Versuch, im untersuchten Gebiet formal Recht zu sprechen; die Eindringlichkeit, mit der deutlich gemacht wird, wie verfehlt das angelsächsische Recht, insbesondere das Kreuzverhör, in der lokalen Situation Papua-Neuguineas sein kann; die Feststellung, daß es der Kolonialmacht Australien bis Beginn der staatlichen Unabhängigkeit Papua-Neuguineas nicht gelungen war, eine durchsetzungsfähige staatliche Rechtsordnung zu etablieren und daß dieser Mangel an geordneten staatlichen und juristischen Strukturen heute als „eine große Hypothek“ auf dem Land lastet (S. 185). Deutlich wird auch, daß die indigene Bevölkerung diese mangelnde Präsenz übergeordneter Strukturen negativ beurteilt und daß insgesamt eine deprimierende Grundstimmung vorherrscht. Bei allen Unterschieden zu Afrika – wiederholt sich in Papua-Neuguinea hier eine Entwicklung, die viele afrikanische Staaten an den Rand des Ruins geführt haben? Allerdings macht die Arbeit auch deutlich, daß, zumindest im untersuchten Gebiet, eine Rückkehr zu vorstaatlichen Strukturen weder gewünscht, noch wirklich möglich erscheint. Das Dorfgericht, wo Effektivität uns öffentliche Akzeptanz (durch den Versuch, „Gerechtigkeit“ auch unter Negierung tatsächlichen „Rechts“ herzustellen) am ehesten gegeben sind, hat eben in Papua-Neuguinea in vorstaatlicher Zeit gerade nicht existiert.

Hermann J. Hiery in Jahrbuch für Europäische Überseegeschichte, 8/2008, 435-439

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